Keydisruption – Negative Timing Manipulation

Ein Klassiker, der in allen bisher erschienenen Edition vorhanden ist, ist „Miasma“ aus dem Haus Schatten. So einfach der Karteneffekt auch ist, so vielseitig sind die Einsatzmöglichkeiten dieser Karte, die im späteren Verlauf dieser Reihe nochmal an Bedeutung gewinnen. Zunächst ist an dieser Stelle wichtig, dass diese Aktion grundlegend in den Spielverlauf eingreift und einen Spieler daran hindert, in der ersten Phase seines Zuges einen Schlüssel herzustellen, da er diesen Schritt schlicht überspringt. So wird es ermöglicht, dass innerhalb eines knappen Spiels, möglicherweise bei einem Schlüsselstand von 2:2, der entscheidende Zug, bzw. vielmehr die entscheidende Phase 1 des Gegners blockiert wird und so zuerst der eigene dritte Schlüssel geschmiedet werden kann. Miasma kann also als Prototyp einer negativen, proaktiven Schlüsselmanipulation angesehen werden. Proaktiv meint, dass die Voraussetzungen, unter denen ein Schlüssel geschmiedet werden kann, verändert werden, bevor er hergestellt wird. An diesem Beispiel also das Zeitfenster, welches geschlossen wird. Insbesondere im Bereich der Aember-Kontrolle, die in den kommenden Wochen an dieser Stelle ausführlich betrachtet wird, wird diese Bezeichnung stärkere Bedeutung gewinnen. Es ergibt Sinn, dass in einem Spiel wie KeyForge, bei dem es sich grundsätzlich um Ressourcenmanagement dreht, die Mehrzahl der Effekte auf eben jene auswirken.

Nachdem nun die derzeit einzige Möglichkeit vorgestellt wurde, die es dem Spieler erlaubt, eine proaktive Timing Manipulation vorzunehmen, bleibt im Anschluss zu klären, ob es nicht auch reaktive Möglichkeiten gibt, in dieser Phase Einfluss zu nehmen. Auch hier findet sich im Haus Schatten die einzige Karte, mit der dies bewerkstelligt werden kann und dies auch erst seit der aktuellen Erweiterung, Kollidierende Welten. Der „gefälschte Schlüssel“ ist hierbei ein Multitalent. Er schließt zwar nicht wie Miasma das Zeitfenster der Phase 1, allerdings geht er über den Effekt des giftigen Gebräus hinaus und wird wirksam, sobald der Gegner einen Schlüssel schmieden würde, und dies zu jedem Zeitpunkt im Spielzug. Dieser bislang einmalige Effekt kommt zu einem Preis, beziehungsweise ist eine Bedingung hiermit verbunden, die keinesfalls garantiert, dass der Gegner daran gehindert wird, einen Schlüssel zu schmieden. Da die Wahrscheinlichkeit, mit diese Karte Erfolg im Sinne des Erfinders zu haben von zahlreichen Faktoren abhängt, werde ich an dieser Stelle keine Zahlen nennen. Angemerkt werden muss nur, dass der „gefälschte Schlüssel“, pro bekannte Karte (solche, die sich im Ablagestapel und im Spiel befinden), an Zuverlässigkeit verliert, da der Gegner die Anzahl der verbleibenden „Outs“ leichter ermitteln kann.

Interessant ist nun, welche Erkenntnisse hieraus bei der Beurteilung der jeweiligen Stärke dieser Karten bzw. grundsätzlich dieser Art der Manipulation gewonnen werden können. Da bisher nur zwei Karten aus einem Haus – und ein Exot, auf den ich später kurz eingehen werde – die Möglichkeit bieten, den Vorgang des Schmiedens per se zu unterbinden, kann an dieser Stelle nur ein vorläufiges Fazit bezüglich der Spielstärke gegeben werden. Die Gemeinsamkeit liegt darin, dass lediglich ein Spielzug erkauft werden kann. Der Gegner verliert keine Ressourcen und kann diese weiter ausbauen, um in seinem nächsten Zug erneut zu schmieden. Das bedeutet, dass unser Deck in dieser Zeit reagieren muss, um weitere Manipulationen vorzunehmen. Sie bieten dementsprechend nur eine temporäre Lösung und sind daher hauptsächlich abhängig von den anderen 35 Karten, die unser Archont im Gepäck hat. Miasma birgt ebenso den Nachteil, dass die Spielstärke nicht nur von dem eigenen Deck abhängt, sondern auch maßgeblich durch die gegnerische Zusammenstellung beeinflusst wird. Durch den Umstand, dass sich der Effekt lediglich auf Phase 1 des Spielzugs beschränkt, wird die Anfälligkeit gegenüber proaktiven Manipulationen, insbesondere in der Form von „Keycheats“ – also dem Schmieden eines Schlüssels in der ersten Phase – besonders deutlich.

Im direkten Vergleich und unter den Voraussetzungen, dass mein Deck zum einen über Möglichkeiten verfügt, die gewonnene Zeit effektiv zu nutzen, indem entweder der letzte Schlüssel geschmiedet oder das Aember des Gegners im folgenden Zug ausreichend reduziert werden kann, gebe ich an dieser Stelle der Aktion den Vorzug gegenüber dem gefälschten Schlüssel. Einer der Gründe ist die Unzuverlässigkeit, die der Effekt des Artefakts beinhaltet. Im kompetitiven Bereich ist die Wahrscheinlichkeit auf Decks zu treffen die außergewöhnlich stark sind aus nachvollziehbaren Gründen recht hoch, allerdings wird bei einem kurzen Blick auf die Gewinner der bisherigen Archon Vault-Touren (als derzeit „professionellste“, regelmäßig stattfindende Turnierform) ebenso klar, dass Keycheats nicht in der Mehrzahl der Decks vertreten waren.

Um diese Entscheidung zu erläutern, will ich es an einer Milchmädchenrechnung erklären. Angenommen, wir unterscheiden lediglich zwischen Decks mit Keycheat und denen ohne eine solche Karte. Dementsprechend verhindert Miasma in mindestens 50% der Fälle das Schmieden des Schlüssels im gegnerischen Zug zuverlässig. Da die meisten Keycheats die Kosten für einen „außer der Regel“ geschmiedeten Schlüssel zusätzlich erhöhen, steigt die Chance, den Gegner effektiv am Sieg zu hindern. Aus meiner bisherigen Erfahrung würde ich weitergehend behaupten, dass die Anzahl der Decks ohne derlei Tricks sogar noch höher ist als die angenommenen 50%. Selbst wenn eine entsprechende Karte im Deck des Gegners vorhanden ist, müsste er wie oben angesprochen über die entsprechende Menge Aember verfügen und zusätzlich Zugriff auf die Karte haben. Daher würde ich Wahrscheinlichkeit, mit der Miasma das Schmieden eines Schlüssels verhindert auf 70% einordnen.

Da die obige Rechnung bereits sehr vereinfacht ist, gehe ich in diesem Vergleich von den optimalen Bedingungen für das Gelingen des Effekts des gefälschten Schlüssels aus. Ein Deck besteht aus 36 Karten, stellen wir uns vor, dass meine einzige Karte im Spiel das Schattenartefakt ist und ich 6 Karten in der Hand halte und der Gegner gerade im Begriff ist, seinen Schlüssel zu schmieden. Diese Situation ist für uns optimal, da die einzige Information unseres Gegners ist, dass er die schlechtesten Aussichten auf seinen Schlüssel hat, wenn er Schatten nennt, da eine der 12 Karten bereits im Spiel ist. Hierbei liegt die Chance ca. im Bereich um 66%. Das bedeutet natürlich, dass mit Voranschreiten des Spiels und damit einhergehend mit dem Ausspielen von Karten die Zuverlässigkeit des Artefakts stetig abnimmt.

Im Verlauf dieses Beitrags habe ich versprochen, kurz eine weitere Karte anzusprechen. Sie ist nicht mit den beiden bisher genannten vergleichbar, da sie nicht das Schmieden eines Schlüssels verhindert, sondern rückgängig macht. Die Rede ist vom Schlüsselhammer aus dem Haus Dis. Diese Karte ist, ebenso wie Miasma und der gefälschte Schlüssel einzigartig in der Funktion, allerdings reaktiv und damit in meiner Betrachtung und Einschätzung weniger für den kompetitiven Gebrauch geeignet. Die oben genannten Beispiele funktionieren auch bei den ersten beiden Schlüsseln wie beschrieben und können zusätzlich den Sieg des Gegners verhindern. Ein KeyForge Deck ist eine recht kompakte Sache und es gibt schlichtweg keinen Platz für Karten, die nur einen sehr eingeschränkten Nutzen in der Strategie des Archonten haben oder sehr speziell und damit situativ sind. Genau diese Beschreibung trifft auf den Schlüsselhammer zu. Dis hat an Möglichkeiten gewonnen, die Ressourcen des Gegners zu kontrollieren, allerdings sind diese bei weitem nicht so ausgeprägt wie bei den Schatten. Zusätzlich, und das ist das entscheidende an dieser Stelle, kann der Hammer den Gegner nicht daran hindern, den dritten Schlüssel zu schmieden, sondern erkauft die Zeit im Vorfeld – was ohne Frage auch einen Vorteil bedeuten kann. Allerdings verliert die Karte ihren Text (bis auf den letzten Satz), sobald der Gegner seinen zweiten Schlüssel erfolgreich hergestellt hat. Eine zusätzliche Schwachstelle ist hier das Timing. Würde der Text lauten: „Spielen: Zerstöre einen Schlüssel deines Gegners, er erhält 6 Aember“ wäre die Karte wahrscheinlich sogar zu stark und im Vergleich mit den beiden Hauptdarstellern dieses Beitrags sogar unangefochten auf Platz 1. Durch die Bedingung, dass der entsprechende Schlüssel im letzten Zug geschmiedet worden sein muss, wird die Verwendbarkeit weiter eingeschränkt. Weiterhin nachteilig wirkt sich der letzte Effekt der Karte aus, der gerne überlesen wird: „Dein Gegner erhält 6 Aember“. Das bedeutet, dass man diese Karte nicht einmal für den Aemberbonus spielen kann, ohne den Gegner in eine äußerst vorteilhafte Position zu bringen.

Fazit

Die negative Timing Manipulation bietet grundsätzlich nur einen Vorteil: Man gewinnt einen Zug, um Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Diesen Zug sollte das eigene Deck tunlichst nutzen können, um das Spiel selbst zu beenden oder das Aember des Gegners so weit zu reduzieren, um den Sieg des Gegenübers zu verhindern. Diese Tatsache ist auch der Grund dafür, dass ich zuvor stets davon ausgegangen bin, dass es sich um den letzten Schlüssel dreht. Die Einsatzmöglichkeiten der genannten Karten sind keinesfalls auf diesen dritten Key reduziert, allerdings entfalten sie an dieser Stelle die größtmögliche Wirkung. Da sie ansonsten keinen weiteren Einfluss auf das Spiel nehmen – abgesehen davon, dass überhaupt weitergespielt wird – ist die jeweilige Stärke logischerweise von den restlichen Karten im Deck abhängig.

Wer sich die Zeit nehmen will, kann sich gerne mal die Liste eines Decks ansehen, dass ich in meiner Sammlung habe und schon des Öfteren als kurioses Beispiel herumgezeigt habe. Es geht um „Kuratorin W. Mercer“, die mit 4 Miasma und 4 „Giftwellen“ schon einen Großteil des Hauses Schatten belegt. Die restlichen Karten, die einen Einfluss auf das Aember des Gegners nehmen können, sind 1 Köder, 1 Noddy und 1 Unablässiges Geflüster. Es können also im Idealfall 4 weitere Aember gestohlen werden. Ihr seht, sofern dieses Deck nach einem Miasma nicht im folgenden Zug gewinnen kann oder der Gegner mehr als 9 Aember besitzt, könnte man noch drei weitere Runden herumsitzen und durch Miasma das Schmieden verhindern, allerdings ist man in einer Position, in der man seine eigene Position wahrscheinlich deutlich schlechter ausbauen kann als der Gegner. Die letzte Anekdote soll euch verdeutlichen, dass Karten die negative Timingmanipulationen erlauben nur bedingt in einem theoretischen Vakuum funktionieren, sondern „nettes Beiwerk“ brauchen, um ihr volles Potential zu entfalten.